Marc Brinkmeier
Zuhause in der Eisfabrik
In Berlin-Mitte unmittelbar an der Spree, wo die Stadt noch nach Spraydosen, Urin und verbranntem Plastik riecht, liegt die Ruine der ehemaligen Berliner Eisfabrik. Hier, wo Investoren und Städtebauplaner nur darauf lauern, dass auch die letzte Brache Luxusapartments weicht, hatten sich bulgarische Armutsflüchtlinge ein provisorisches Heim eingerichtet: ohne Heizung, ohne Toiletten, Strom und fließend Wasser. In der Hoffnung auf ein besseres Leben hatten sie die nach europäischem Recht garantierte Arbeitnehmerfreizügigkeit genutzt und sich nach Deutschland aufgemacht. Auch wenn sie, weit entfernt von ihrer Familie und ihrer Heimat, vorübergehend in menschenunwürdigen Verhältnissen wohnten, sind sie Vorreiter für ein gerechteres Europa mit gleichen Chancen für alle. Mutig stellen sie sich den Anforderungen einer globalisierten Welt und kämpfen wie viele andere ausländische Minderheiten für ihr Aufenthaltsrecht und einen Zugang zum Arbeitsmarkt.
Angesichts ihrer schwierigen Lage und ihrer elenden Behausung könnte man erwarten, von Not und Armut gebrochenen Menschen zu begegnen. Das Gegenteil ist der Fall. In der Berliner Eisfabrik herrschen trotziger Stolz und große Lebensfreude. Vor dem unwirtlichen und teilweise irreal anmutenden Hintergrund ihrer Behausung zeigen die Porträts von Marc Brinkmeier Menschen, die Zufriedenheit und Selbstbewusstsein ausstrahlen. In diesem Kontrast liegt die provozierende Hoffnung der Bilder auf ein anderes Europa. 2013 besuchte Marc Brinkmeier die Bulgaren in der Eisfabrik und begleitete sie acht Wochen lang mit seiner Kamera.
Marc Brinkmeier, geboren 1974, lebt und arbeitet als freier Fotograf in Berlin. Nach seinem Abschluss als Fotodesigner beim Berliner Lette Verein konzentrierte er sich vor allem auf Reportage- und Porträtfotografie. Seine Reisen führten ihn unter anderem nach Südafrika, wo er eine Kinderfußballmannschaft in den Slums südafrikanischer Städte und die Stadt Johannesburg als aufstrebende Megacity porträtierte. Brinkmeiers Arbeiten wurden in zahlreichen angesehenen Zeitungen und Magazinen wie unter anderen Die Zeit, Brand Eins, Der Stern, Sunday Times veröffentlicht. 2009 erhielt er den Welde Kunstpreis und 2008 den Gruner + Jahr Photo Award.
www.marcbrinkmeier.de